Was ist Live Rollenspiel? Diese Frage habe ich mir nun schon hunderte Male gestellt und je nach Ansatz stieß ich auf unterschiedliche Aspekte die dieses Hobby für mich ausmachen. Wobei ich hier schon etwas präziser formulieren sollte. Denn das Hobby, welches ich tatsächlich ausübe, ist noch weit von dem entfernt, was ich mir eigentlich unter LARP vorstelle und wünschen würde. Wie sich diese Diskrepanz genau äußert werde ich im Zuge der Beiträge in diesem Blog darstellen.

Keines Wegs soll der Eindruck entstehen, dass ich mich selbst für eine Art LARP-Guru halte, der den einzig wahren Weg predigt. Einen solchen gibt es meines Erachtens nicht. Vielmehr möchte ich die Gedanken, die ich zu diesem Thema habe, erklären und zur Diskussion stellen. Für mich stellt sich die aktuelle Lage leider oft so dar, dass ich mit meinen Auffassungen den meisten ein wenig auf die Nerven gehe. Denn meist wird auf meine Kritik mit Zustimmung reagiert, aber das Ändern dieser eingefahrenen Strukturen gestaltet sich als zu aufwändig.

 

Die größten Kritikpunkte führe ich folgend in Kurzform auf und schließe daran direkt ein paar Sätze an, wie ich es mir wünschen würde. Meine Gedanken zur Lösung dieser Probleme sind im zweiten Teil dieses Artikels aufgeführt und führen dann zum Konzept (dritter Teil). Sicherlich gibt es diese Kritik bereits solange wie es LARP gibt und auch meine Lösungsvorschläge sind nicht bahnbrechend neu. Eventuell könnte dieser Blog aber helfen Gleichgesinnte ausfindig, oder zumindest einem größeren Spektrum an LARPern diese Problematik bewusst zu machen.

 

 

Meine Kritik:

Die Welt die bespielt wird, kann über die CON gar nicht richtig zum Leben erwachen, da sie extrem statisch ist. Meist geht man auf CONs die rein gar nichts mit dem eigenen Charakter zu tun haben, man kennt also nichts, man hat nichts damit zu tun, und der Charakter will auch in den meisten Fällen eigentlich nichts wirkliches. Wie soll so also ernsthaftes Spiel entstehen, wenn man die Logik des Charakters in vielen Teilen strikt abschalten muss um überhaupt zu erreichen, dass man da ist?

Der Charakter hat neben den CONs meist überhaupt kein Leben. Er existiert schlicht nur zu diesem Zweck, springt von Dimensionstor zu Dimensionstor, reist über Weltenmeere und gelangt mal nach Aventurien, mal in die Mittellande, mal in eine völlig andere Welt, oft mit völlig anderen Eigenschaften, Kulturen, und andersartiger Magie.

Was ich mir wünschen würde:

Eine Spielwelt, die in sich geschlossen ist und ihre eigene Logik behält. Spieler auf der Con haben klare Motivationen, klare Gründe und können diese Interessen zielstrebig und mit gutem Rollenspiel verfolgen.

Mein ganz persönlicher Geschmack wünscht sich auch sehr sehnlich eine richtige Low-Fantasy Welt in der Magie etwas außergewöhnliches und unheimliches ist. Ganz ähnlich wie etwa in A Song of Ice and Fire.

 

Meine Kritik:

Bekanntschaften mit anderen SC sind meist völlig bedeutungslos, da der jeweilige Charakter zum einen oft nie wieder gesehen wird, und zum anderen spielt die Bekanntschaft außer auf den CONs keinerlei Rolle.

Was ich mir wünschen würde:

Die weiter oben gewünschte geschlossene Welt würde bereits dafür sorgen, dass Bekanntschaften mehr Gewicht bekommen. Auch außerhalb der Veranstaltungen könnte man sich per Mail oder vielleicht sogar altmodischen Briefen in Kontakt bleiben.

 

Meine Kritik:

Viele CONs verkommen zu Gewandungsgrill-Anlässen auf denen man mächtig Gelegenheit bekommt, bedeutungslos und im typischer LARP-Manier mit der Polsterwaffe auf NSC einzuprügeln, die einem meist eh kein echtes Contra geben können oder dürfen und Gefahr in irgendwelchen Kämpfen existiert sowieso praktisch nicht. (Natürlich gibt es hier, wie bei allen Kritikpunkten einzelne CONs, wo auf wiederum einzelne Punkte geachtet wird)

Was ich mir wünschen würde:

Spieler können nicht nur sterben, sie tun es auch regelmäßig. Eine Schlacht ist keine leichtfertige Angelegenheit, für die man oft nicht einmal den Grill verlässt, weil gerade noch etwas drauf liegt. Wer die Waffe zum Kampf erhebt wird mit guter Wahrscheinlichkeit sterben. Es gibt keine Instant-Heilungen und die wenigen Heilungen sollten so rar sein, dass nur eine Handvoll Spieler von ihrem sicheren Tod gerettet werden kann. In einer gewonnen Schlacht entstehen wenigstens 20% Verlust, bei ebenbürtigen Parteien, besser mindestens 50% bis rauf zu 80%. Bei verlorenen Schlachten werden nur wenige Gefangene gemacht und wer nicht in letzter Minute flieht, stirbt.

Dieses Vorgehen würde endlich wieder dieses so nützliche Gefühl der Furcht in den Spielern hervorrufen. Leute würden ernsthaft darüber nachdenken wegzulaufen, und selbst mitten in der Schlacht die Formation aufzulösen um das Weite zu suchen, weil der Kampf verloren geglaubt wird. Duelle wären eine ernste Sache, die gewöhnlich mit dem Tod eines der Konkurrenten endet. Ein Spieler der mehrere Schlachten überlebt hat, kann ernsthaft als Veteran gesehen werden und stolz von seinen Erfahrungen berichten. Schlachten würden endlich Namen bekommen! Kämpfe hätten tiefe Bedeutung, würden dem Con wieder das geben, was sie eigentlich tun sollten: nämlich Spannung und Grausamkeit. Wenn über eine Schlacht geredet wird, sollten höchstens die ganz hartgesottenen Krieger darüber wie von einem Fest sprechen. Man sollte mit Schrecken von dem Massaker erzählen.

 

Meine Kritik:

Auf den allermeisten CONs herrscht eine platte Feier- und/oder Grillatmosphäre, die von flachem Charakterspiel aufgelockert wird. Ich habe noch nie jemanden auf einer CON richtig ernsthaftes Rollenspiel machen sehen. Also damit meine ich jetzt nicht, dass ich noch nie jemand gutes Rollenspiel hab machen sehen, das geht nämlich durchaus auch auf lockere Weise herausragend gut. Aber tiefgründig wird es nun einmal meist erst durch eine entscheidende Priese Ernst.

Hat jemand in eurer Erfahrung schon einmal einen Spieler gesehen, der gespielt hat, dass sein Charakter sich gleich vor Angst einpisst? Vielleicht sagt hier noch der ein oder andere ganz stolz: “Ja hab ich mal gesehen, da war mal so ein Verrückter.” Wenn ich dann aber auch noch frage: War das glaubwürdig? Spätestens jetzt wird wohl niemand mehr jemanden nennen können. Denn glaubwürdig kann die Angst auf einer Con gar nicht dargestellt werden. Da kann der Spieler noch so gut sein. Aber wenn es nun mal faktisch keinen Grund gibt, weil auf jeden Kämpfer ein magischer Heiler kommt, der ihn in wenigen Minuten wieder zusammengeflickt hat, oder weil jeder Krieger aufgrund seiner Regenerationsfähigkeit schlicht nicht verbluten kann und darum niemals sterben wird, dann kann kein Gefühl der Angst entstehen. Denn jeder Spieler weiß, dass kein NSC auf der CON einen Todesstoß ansetzen würde. Aus diesem Grund wird jemand, der Angst spielt, oder Trauer, oder schlicht Besorgnis vor einem Kampf, immer irgendwie unglaubwürdig wirken. Meiner Meinung nach eine völlig fatale Situation, denn genau diese natürlichen, menschlichen Emotionen können der Atmosphäre einen ganz anderen und stimmungsvolleren Touch geben.

Was ich mir wünschen würde:

Wann habt ihr das letzte Mal am Lagerfeuer einen Mann mit Tränen in den Augen vom Leiden seiner Familie erzählen hören? Dass seine Kinder kaum ein Korn zu Essen haben und seine Frau seit der letzten Geburt sich einfach nicht mehr von einer Krankheit erholt.

Diese Geschichte würde mir – richtig geschauspielert – einen Schauer über den Rücken jagen, ich würde mich mit dem anderen Charakter verbunden fühlen und das Ganze CON würde in eine tiefere Ebene rutschen, die es mir ermöglicht das Rollenspiel, wie ich es verstehe, auf ganzer Linie zu genießen.

Ich will damit nicht sagen, dass permanent Leute rumheulen sollen oder das Ganze zu einer Herzschmerz-Seifenoper verkommen sollen, aber momentan haben wir einen eindeutigen Überschuss an Feierlaune, Unbekümmertheit und es fehlt extrem an Tiefe und Stimmung.

 

 

Diesen und weiteren Gedanken folgend überlegte ich dann an Lösungsansätzen für die Probleme. Gleichzeitig spielte bei den Überlegungen meine Begeisterung für Game of Thrones mit herein, die stimmungsvolle, dreckige und (in sich) realistische Welt.

Weiter bei Teil 2

Kommentieren :

×

Kommentare sind geschlossen.